Unfälle sind eine der häufigsten Todesfälle (höher als bei ansteckenden Krankheiten) in ärmeren Ländern und Millionen von Menschen leiden ihr Leben lang unter Unfallfolgen, sofern keine rechtzeitige und angepasste Behandlung stattfindet. Auch in Ghana fehlt der Zugang zu moderner Behandlung. Entsprechend gross ist die Bedeutung traditioneller Heiler. Die AO Alliance engagiert sich mit den lokalen Traditional Bonesetters (lokalen Heilern) mit einem innovativen Ansatz, um deren Fähigkeiten zu verbessern, um in erster Linie unnötige Amputationen bei Kindern zu vermeiden.
Die Bevölkerung in Ghana hat kaum Zugang zu Krankenhäusern, die über eine Trauma- und Orthopädiebehandlung verfügen. Nur gerade 52 Trauma- und Othopädiechirurg:innen versorgten 2021 eine Bevölkerung von 30 Millionen Einwohner:innen. Entsprechend spielen traditionelle Heiler für die Bevölkerung südlich der Sahara eine zentrale Rolle.
Komplikationen nach Knochenbrüchen
Die Behandlungen durch traditionelle Heiler bei Knochenbrüchen führen allerdings immer wieder zu Komplikationen: «Die Rate der durch traditionelle Heiler verursachten Behinderungen, Infektionen und Amputationen in Ghana ist alarmierend, insbesondere bei Kindern», sagt der Arzt Dr. Dominic Konadu-Yeboah, Dozent der AO Alliance und Leiter der Abteilung für Traumatologie und Orthopädie am Komfo Anokye Teaching Hospital (KATH) in Kumasi, Ghana. Hier engagiert sich die AO Alliance, um den Zugang zu einer rechtzeitigen und angemessenen Versorgung bei Knochenbrüchen sicherzustellen. Ein Fokus ihrer Aktivitäten legt die gemeinnützige Organisation auf die Ausbildung der traditionellen Heiler. Um diese zu verbessern hat die AO Alliance 2021 das Traditional Bonesetter (TBS) Training Programm in Ghana lanciert. Seit dem ersten Kurs im Mai vergangenen Jahres konnte sie 197 Heiler im Rahmen von sechs Schulungsveranstaltungen ausbilden. «Die Ausbildung in den lokalen Sprachen umfasst Vorträge, Diskussionen in kleinen Gruppen und praktische Übungen unter der Anleitung von Trauma- und Orthopädie-Chirurgen», sagt Dominic Konadu-Yeboah. Die traditionellen Heiler erlernen grundlegende nichtoperative Techniken der Frakturbehandlung mit lokalen Werkzeugen – modifiziert, um lokale klinischen Standards zu entsprechen. Diese sind auf dem Land leicht verfügbar und kostengünstig. Die traditionellen Heiler erlernen insbesondere, wann sie Patient:innen in ein Krankenhaus überführen müssen. «So lassen sich Komplikationen, Amputationen und am Ende Todesfälle verhindern», sagt Dominic Konadu-Yeboah.
Erste Erfolge
Das Programm wird von den traditionellen Bonesetters akzeptiert. Sie schätzen die Schulungen. Die Akzeptanz des Programms zeigt sich auch darin, dass die traditionellen Heiler bis Juni 2022 unterstützt durch die AO Alliance und ihre lokalen Partner TBS-Verbände gründeten. Diese haben in der Upper West Region (Wa), der Ashanti Region (Kumasi) und Nordghana (Tamale) 206 TBS-Mitgliedern. Jeden Monat treffen sich Vertreter:innen der Verbände und tauschen sich aus. Auch die AO Alliance ist an diese Treffen dabei. Die Verbände ermöglichen eine systematische Verbesserung und Schulung. Stellt ein Verband eine Komplikation fest, so eruiert sie den traditionellen Heiler, der die Behandlung vorgenommen hat. Dieser wird einerseits geschult, anderseits in den Verband aufgenommen. So kann direkt eine Verbesserung der Behandlungen erzielt werden. Und das Programm zeigt bereits erste Erfolge. Daten aus dem Tamale Teaching Hospital und dem Komfo Anokye Teaching Hospital zeigen von Mai 2021 bis April 2022 einen Anstieg der Überweisungen durch traditionelle Heiler. Im selben Zeitraum ist auch die Anzahl der Amputationen in Zusammenhang mit traditionellen Behandlungsmethoden um 57 Prozent zurückgegangen. Mit zusätzlicher Finanzierung kann die AO Alliance weitere Bonesetter ausbilden und die bisher erreichte Wirkung ausbauen.
AO Alliance Stiftung
Die AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) wurde 1958 von 13 Schweizer Chirurgen gegründet. 1999 wurde das AO Socio Economic Committee (AO SEC) gegründet, um auf den Bedarf an Schulungen zur Frakturversorgung in Ländern mit mittleren und tiefen Einkommen zu reagieren. 2015 wurde die AO Alliance als eigenständige Organisation gegründet und übernahm die Aufgaben des AO SEC. Die Stiftung ist gemeinnützig und medizinisch ausgerichtet. Sie bezweckt die die Verbesserung der Patientenversorgung durch Schulung, Forschung und administrativer Unterstützung von klinischen Dienstleistungen im Bereich Trauma und Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems in weniger entwickelten Ländern und Regionen in der Subsahara und in Asien mit weniger ausgebauter medizinischer Betreuung und Infrastruktur. Ziel ist insbesondere die Frakturbehandlung in ressourcenarmen Umgebungen.