Das Schweizer Hilfswerk Aqua Alimenta setzt sich im globalen Süden für die Kleinbauernfamilien ein. In Madagaskar engagiert es sich in einem Projekt gemeinsam mit einer lokalen Partnerorganisation, um die Lebensqualität der Bauern und deren Autonomie mit Agrarökologie-Ausbildungszentren zu stärken.
Mit den landwirtschaftlichen Ausbildungszentren für Entwicklung und ländliche Autonomie (Centres d’Entraînement pour le Développement et l’Autonomie Rurale, CEDAR) will Aqua Alimenta die Lebensqualität und die Autonomie der Kleinbauernfamilien auf Madagaskar verbessern. In einer ersten Phase konnte das Projekt vier CEDARs in der Region Analamanga im Zentrum Madagaskars aufbauen. Das Ausbildungs-Angebot der Zentren richtet sich an Kleinbauernfamilien, die im grösseren Umfeld der Zentren leben. Da 70 Prozent der Bewohner:innen des Inselstaates, südöstlich von Afrika im indischen Ozean gelegen, von der Landwirtschaft leben, ist dies die entscheidende Zielgruppe, um eine Verbesserung der Lebensumstände zu erreichen.
Wissen als Basis
Die Armut im Inselstaat ist gross. Über drei Viertel der 29 Millionen Menschen sind davon betroffen. Sie leben von weniger als 1,90 Dollar pro Tag. «Die wirtschaftliche Situation ist schwierig», sagt Kaspar Schatzmann, Geschäftsführer von Aqua Alimenta. «Über 70 Prozent der Menschen auf Madagaskar sind in bäuerlichen Familienbetrieben tätig.» Meist sind sie Selbstversorger:innen und bebauen eine kleine Fläche Ackerland. Und genau auf diese Kleinbauernbetriebe richtet Aqua Alimenta den Fokus ihres Engagements. «Ihre Situation gilt es zu verbessern», sagt er. «Um ihre Ernährung und Existenz zu sichern, müssen sie die Ertragssicherheit verbessern, die Resilienz gegen Risiken wie Trockenheit oder tropische Wirbelstürme erhöhen sowie die Abhängigkeit von externen Betriebsmitteln wie Saatgut und Dünger verringern.» Damit dies gelingt, brauchen die Kleinbauern das notwendige Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten. Hier setzt Aqua Alimenta an. 2019 startete das Hilfswerk das CEDAR-Projekt. Dabei arbeitet Aqua Alimenta mit der lokalen Partnerorganisation Ecovillage Madagascar (EVM) zusammen. Diese will mit ihrem Engagement das Know How der Kleinbauern stärken. Sie vermittelt ihnen nicht nur Kompetenzen des ökologischen Landbaus, sondern auch Wissen über ihre Rechte.
Wirkung verstärken
«Am Ende der ersten Phase haben wir evaluiert, wie wir die Wirkung verstärken und das Projekt weiter ausrollen können», sagt Kaspar Schatzmann. Es zeigte sich, dass die vier CEDARs noch nicht genügend Reichweite erzielen, um eine relevante Veränderung zu bewirken. In der zweiten Phase des Projekts sollen deswegen bis 2025 vier weitere CEDARs eröffnet werden. Die Zentren erlauben es, das Wissen vom ökologischen Landbau den Kleinbauernfamilien und allen Interessierten zu vermitteln. «Wissen ist die Grundlage, um eine positive Veränderung zu erreichen», sagt Kaspar Schatzmann. In den CEDARs lernen die Kleinbauern und ‑bäuerinnen, wie sie ihre Produktion diversifizieren, Erträge steigern und die Bodenfruchtbarkeit erhalten können. 1200 Bäuerinnen und Bauern sowie die Schulkinder von 20 Primarschulen werden so in der zweiten Phase erfahren, was nachhaltigen Ackerbau möglich macht.
Die am Projekt teilnehmenden Bauern und Bäuerinnen teilen das Erlernte weiter. «Sie wenden ihr Wissen direkt auf dem Feld an», sagt er. «Sie engagieren sich im Austausch und sind offen für Besucher:innen, um das Wissen weiter zugeben». Um das Wissen zu teilen, bildet EVM zudem 120 besonders engagierte Produzent:innen zu «Bauernführer:innen» aus. Sie geben in 40 auf die Praxis ausgerichteten Schulungen pro Jahr ihr Wissen, direkt auf dem Feld, an die Projektteilnehmenden weiter. Die Kleinbauern und ‑bäuerinnen erfahren, wie sie die natürlichen Ressourcen schützen. Und wie sie mit nachhaltigem Anbau ihre landwirtschaftliche Produktion um bis zu 50 Prozent steigern können. Mit der Überproduktion, die sie nicht für die Selbstversorgung benötigen, sollen sie ein zusätzliches Einkommen generieren können. Im Rahmen des Projektes werden mit den Produzent:innen vier mögliche Absatzkanäle eruiert. Bis zum Abschluss der zweiten Phase sollen 80 Prozent der Projektteilnehmenden an einen Absatzmarkt angebunden sein. «Zudem fördern wir mit dem Projekt Spargruppen», sagt Kaspar Schatzmann. «Die Kleinbauern werden bei der Gründung unterstützt und ermutigt, diesen beizutreten.»
Selbstständige CEDARs
Agrarökologischer Landbau stärkt die Autonomie der Kleinbauernfamilien. Diese wiederum verringert ihre Abhängigkeit von externen Faktoren wie chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel. Die CEDARs übernehmen dabei mehrere Funktionen. Sie sind Ausbildungs- und Begegnungsstätte zugleich und fördern den Austausch und die Verbreitung des Wissens. Bis zum Ende der zweiten Phase sollen sie weitgehend selbsttragend funktionieren. Doch das Umfeld ist herausfordernd: Die politischen Umstände sind unsicher, die Ressourcen der Kleinbauernfamilien bescheiden und es fehlen Möglichkeiten für zusätzliche Unterstützung vor Ort. Entsprechend ist das Projekt im Aufbau auf Spendengelder angewiesen.
Aqua Alimenta
Seit 1998 stellt das Schweizer Hilfswerk Aqua Alimenta Kleinbauernfamilien in den Mittelpunkt. Der gemeinnützige Verein verfolgt die Vision einer Welt ohne Hunger und Armut. Dafür setzt sich Aqua Alimenta mit agrarökologischen Anbaumethoden und angepasster Bewässerungstechnik mit seinen Partnerorganisationen in Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Madagaskar und Indien für eine verbesserte Ernährungssicherheit der Kleinbauernfamilien ein. Sie sollen das ganze Jahr ihren Lebensunterhalt sichern und sich ausgewogen ernähren können. Dabei sollen sie auch besser gegen die Folgen des Klimawandels gerüstet sein und die Böden sollen für künftige Generationen erhalten und fruchtbar bleiben.