antonella conte
Antonella Santuccione Chadha und der ehemalige italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte 2022 bei einem Treffen vor der italienischen Abgeordnetenkammer in Rom zum Thema Langlebigkeit und exponentielle Technologien. Bild: zVg WBP

Weil Frau­en und Män­ner anders krank sind

Frau­en und Män­ner reagie­ren oft anders auf Krank­hei­ten. Die­se geschlechts­spe­zi­fi­schen Unter­schie­de sind jedoch nach wie vor nur wenig erforscht. Hier setzt die inter­na­tio­na­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on Women’s Brain Pro­ject mit Sitz in der Schweiz an: Sie ver­netzt Akteur:innen aus Medi­zin, Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Poli­tik, um die Gen­der­me­di­zin im Bereich der Ner­ven­krank­hei­ten vor­an­zu­trei­ben. Das Ziel: die Grün­dung eines ent­spre­chen­den Forschungsinstituts.

Alz­hei­mer ist eine Frau­en­krank­heit: Zwei Drit­tel der Betrof­fe­nen sind weib­lich. Über die Grün­de gibt es wenig Gesi­cher­tes, aber vie­le Ver­mu­tun­gen: Hor­mo­ne spie­len wohl eine Rol­le, eben­so das Schlaf­ver­hal­ten und die Lebens­er­war­tung. Im Gegen­zug erkran­ken etwa dop­pelt so vie­le Män­ner an Par­kin­son. Aber nicht nur bei Erkran­kun­gen des Gehirns, son­dern bei fast allen Krank­hei­ten gibt es geschlechts­spe­zi­fi­sche Unter­schie­de. Das ist mitt­ler­wei­le zwar bekannt. Aber noch immer wird das Geschlecht in den kli­ni­schen For­schung zu wenig berück­sich­tigt. Das fan­ge schon in der vor­kli­ni­schen Pha­se an, wo die Ver­suchs­tie­re meist männ­lich sei­en, sofern ihr Geschlecht in den Stu­di­en über­haupt genannt wer­de, sag­te die Ärz­tin und Neu­ro­wis­sen­schaft­le­rin Anto­nella San­tuc­cio­ne Chad­ha kürz­lich in einem Inter­view gegen­über der Schwei­ze­ri­schen Ärz­te­zei­tung. Auch in den spä­te­ren Pha­sen kli­ni­scher Stu­di­en sind weib­li­che Ver­suchs­per­so­nen unter­ver­tre­ten — selbst dann, wenn es um Krank­hei­ten wie Alz­hei­mer geht, von der Frau­en mehr betrof­fen sind.

Geschlecht und Gen­der einbeziehen

Anto­nella San­tuc­cio­ne Chad­ha gehört zu den Grün­de­rin­nen von Women’s Brain Pro­ject (WBP), einer inter­na­tio­na­len Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on mit Sitz im Kan­ton Thur­gau, die den Ein­fluss von Geschlecht und Gen­der auf Gehirn­er­kran­kun­gen erforscht und dafür ver­schie­de­ne Stake­hol­der ver­netzt. «Unse­re Mis­si­on besteht dar­in, die Ent­wick­lung von Medi­ka­men­ten und medi­zi­ni­schen Behand­lun­gen durch die Fak­to­ren Geschlecht und Gen­der zu trans­for­mie­ren, als Zugang zu einer Prä­zi­si­ons­me­di­zin und ‑pfle­ge, die den ein­zel­nen Pati­en­ten zuge­schnit­ten ist», sagt WBP-Prä­si­dent Mat­thi­as Burk­hal­ter. «Wir tun dies, indem wir For­schungs­pro­jek­te durch­füh­ren, mit Indu­strie­part­nern zusam­men­ar­bei­ten, mit Regu­lie­rungs­be­hör­den, Regie­run­gen und Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sowie Wis­sen­schaft­lern in Kon­takt tre­ten und schliess­lich neue Tech­no­lo­gien zu ent­wickeln, um neue Behand­lungs­op­tio­nen für Pati­en­ten und Pfle­ge­per­so­nen zugäng­lich zu machen.» Der Fokus von WBP liegt dabei auf der Erfor­schung von Gen­der- und Geschlechts­un­ter­schie­den bei Hirn­er­kran­kun­gen sowie psy­chi­schen Erkrankungen.

Erstes For­schungs­in­sti­tut für Gendermedizin

Women’s Brain Pro­ject wur­de 2017 gegrün­det und ver­fügt heu­te über rund 30 Kern­mit­ar­bei­ten­de, ist welt­weit in über 40 Koope­ra­tio­nen invol­viert und hat zahl­rei­che For­schun­gen ermög­licht und publi­ziert. Zudem orga­ni­siert WBP regel­mäs­sig öffent­li­che Ver­an­stal­tun­gen wie das Inter­na­tio­nal Forum on Women’s Brain an Men­tal Health, das im näch­sten Jahr zum vier­ten Mal statt­fin­den wird; am kom­men­den WEF in Davos wird WBP zudem erst­mals mit einem «Brain Health Hou­se» vor Ort sein. Aktu­ell steht die Orga­ni­sa­ti­on vor einem Mei­len­stein in ihrer Geschich­te: Sie wird der­zeit in eine Stif­tung über­führt, deren Ziel es ist, das erste For­schungs­in­sti­tut für Geschlech­ter- und Gen­der­me­di­zin in der Schweiz zu füh­ren. Das «Rese­arch Insti­tu­te for Sex an Gen­der Pre­cis­i­on Medi­ci­ne» soll am Stand­ort Basel und in Zusam­men­ar­beit mit der Uni­ver­si­tät Basel entstehen.

Women’s Brain Project

Women’s Brain Pro­ject ist eine inter­na­tio­nal täti­ge gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on, die die geschlechts­spe­zi­fi­schen Unter­schie­de von Krank­hei­ten erforscht. Durch das Sam­meln von For­schungs­da­ten und dem Ein­satz von neu­en Tech­no­lo­gien wie KI setzt sie sich für eine prä­zi­se Medi­zin ein, die Fak­to­ren wie Geschlecht und Gen­der der Pati­en­ten stär­ker berück­sich­tigt. Im WBP arbei­ten Expert:innen aus ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen zusam­men. Finan­ziert wird die Orga­ni­sa­ti­on von Gönner:innen, Koope­ra­tio­nen und Mitgliederbeiträgen. 

Das Spen­den­ma­ga­zin von StiftungSchweiz rich­tet sich an Spen­de­rin­nen und Spen­der. Es infor­miert über aktu­el­le Pro­jek­te, Trends im Spen­den­markt und gibt Tipps, die das digi­ta­le Spen­den ein­fa­cher machen. Jede zwei­te Woche erscheint ergän­zend der «Do Good» Spen­den-News­let­ter.