Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs hatte die rasche und unbürokratische Unterbringung von ukrainischen Schutzsuchenden für die Schweizerische Flüchtlingshilfe absoluten Vorrang. Für die SFH nimmt die Unterbringung in privaten Gastfamilien heute eine Schlüsselrolle in der gesellschaftlichen Integration von Geflüchteten ein. Sie möchte dieses Modell daher im nationalen Asylsystem verankern und Schutzsuchenden jeglicher Herkunft zugänglich machen.
«Die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine bei Gastfamilien funktioniert, ist stabil und fördert die Integration», vermeldete die Schweizerische Flüchtlingshilfe Anfang Jahr in einer Mitteilung. Zu diesem Zeitpunkt wohnten rund 35 Prozent der Schutzsuchenden oder 25’000 Personen aus der Kriegsregion in Gastfamilien.
Dass das Zusammenleben in den Gastfamilien mehrheitlich gut funktioniert, zeigt eine Umfrage, die die SFH Ende 2022 gemeinsam mit der Hochschule Luzern und der Berner Fachhochschule bei über 1000 Gastfamilien in der ganzen Schweiz durchgeführt hatte. Gemäss der Umfrage erwies sich das Modell als stabil: Über 70 Prozent der Gastfamilienverhältnisse dauerten länger als drei Monate, und über die Hälfte der Geflüchteten blieb auch nach ihrem Auszug mit ihren Gastfamilien in Kontakt. Bei der Unterbringung in privaten Haushalten geht es denn auch um viel mehr als um die Bereitstellung von Wohnraum: Die Gastgeber:innen leisten wertvolle Unterstützung im Alltag, indem sie den Schutzsuchenden bei administrativen Fragen, bei der Stellensuche und nicht zuletzt beim Spracherwerb helfen.
Ankommen in der Mitte der Gesellschaft
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hatte die Idee der Gastfamilien für Flüchtlinge 2015 während des Syrienkriegs in der Schweiz lanciert. Nach den Erfahrungen mit Schutzsuchenden aus der Ukraine sieht sie sich in dieser Idee weiter bestärkt: Das Modell fördere die soziale und sprachliche Integration von Geflüchteten und ermögliche ihnen ein rasches Ankommen in der Mitte der Gesellschaft, ist die Dachorganisation überzeugt. Sie möchte daher diese Form der Unterbringung als festen Bestandteil des schweizerischen Asylsystems etablieren und auf weitere Flüchtlingsgruppen ausweiten. Unter anderem setzt sie sich dafür ein, schweizweit einheitliche Standards für die Vermittlung von Gastfamilien zu schaffen sowie für deren Begleitung und finanzielle Entschädigung.
Positiver Schutzstatus
Um die Gleichbehandlung aller Flüchtlinge geht es auch bei der Forderung der SHF nach einem positiven Schutzstatus. Denn die Schaffung des Schutzstatus S, der den ukrainischen Geflüchteten rasche und unbürokratische Aufnahme, Arbeitsbewilligung und Familiennachzug gewährte, habe gleichzeitig die ungleiche Behandlung von Geflüchteten aus anderen Kriegsgebieten aufgezeigt, die mehrheitlich nur vorläufig aufgenommen werden. Der positive Schutzstatus soll die vorläufige Aufnahme (Status F) ersetzen und den Betroffenen gleiche Rechte wie anerkannten Flüchtlinge gewähren. Denn vorläufig Aufgenommene hätten einen vergleichbaren Schutzbedarf wie anerkannte Flüchtlinge und blieben erfahrungsgemäss langfristig in der Schweiz, so die SFH. Der Status F erschwere es den Betroffenen jedoch, in der Gesellschaft und im Arbeitsleben Fuss zu fassen.
Schweizer Flüchtlingshilfe
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe, 1936 unter dem Namen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe gegründet, ist der Dachverband für Hilfswerke und Organisationen, die im Bereich Flucht und Asyl tätig sind. Als Fachorganisation und Kompetenzdrehscheibe bezweckt die SFH die Zusammenarbeit ihrer Mitgliederorganisation und fördert ihre Kompetenzen im Interesse von Geflüchteten. Gemäss ihrem Leitbild setzt sich die SFH ein für eine Schweiz, die Geflüchtete schützt, ihre Grund- und Menschenrechte wahrnimmt, ihnen eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und ihnen mit Respekt und Offenheit begegnet. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe finanziert sich zum Grossteil über Spenden und Projektbeiträge.