Seit über zehn Jahren bringt das am Künstlerhaus Boswil gegründete Orchester Chaarts international bekannte Streicher, Solobläser und Solisten für gemeinsame musikalische Projekte zusammen. Ohne strenge Hierarchien, ohne Berührungsängste gegenüber anderer Musik und in wechselnder Besetzung erweitern die Chamber Artists die Grenzen der Klassik.
Chaarts sei durchaus als kleine Revolution gegen die strengen Strukturen der klassischen Musik zu verstehen, sagt Gründer Andreas Fleck. «Aber wir wollen nichts niederreissen, sondern die Grenzen erweitern.» Anders als in vielen klassischen Ensembles, in denen jede:r Musiker:in einen festen Platz und der Dirigent viel Macht hat, sind bei den Chamber Artists alle gleichberechtigt. «Wir sind mehr Genossenschaft als Regierung», veranschaulicht Andreas Fleck die Struktur. Meist kommt das Orchester auch ohne Dirigenten aus.
«Fairy Tales» – Musik aus 4. Jahrhunderten
2010 am Künstlerhaus Boswil gegründet, lädt Chaarts regelmässig hochkarätige internationale Streicher, Solisten, Konzertmeister und Solobläser für gemeinsame Projekte ein. Als «Playing Manager» hält Andreas Fleck, der als Cellist selbst mitwirkt, die Fäden zusammen. Dabei kann er auf einen Kernpool von etwa 40 Kammermusiker:innen zurückgreifen, das gesamte Chaarts-Netzwerk besteht aus mehreren hundert Künstler:innen. Diese kommen aus ganz Europa, manche auch von ausserhalb. Das erhöht den Aufwand, sowohl organisatorisch als auch finanziell. Weniger die Gagen als die Anreise und Unterbringung der internationalen Musiker lassen die Kosten rasch einmal in die Höhe schnellen. Zudem wird bei Chaarts von der Musikauswahl bis zur konkreten Umsetzung alles gemeinsam entschieden. Diese Flexibilität ist besonders für etablierte Solist:innen attraktiv, verlangt den Mitwirkenden aber auch einiges ab. So hätten beispielsweise die Vorbereitungen für das aktuelle Projekt «Fairy Tales» mit der Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann ganze drei Jahre gedauert, sagt Fleck. «Wir investieren in Qualität, und das in jeder Hinsicht.» Weil die Besetzung, der Konzertmeister und die Arrangeure wechseln, erhalte jedes Projekt seine eigene Prägung. Dabei bleibe Chaarts aber immer Chaarts: «Die hohen Ansprüche an musikalische Exzellenz und das Commitment sind immer gegeben.»
Nähe zum Publikum
Typisch für die Chamber Artists ist die Neuadaption der Musik: «Wir spielen Werke, die nicht für unsere Besetzung geschrieben worden sind.» Bei «Fairy Tales» etwa geben zwölf Musiker Werke aus 4. Jahrhunderten wieder, die teils für viel mehr, teils aber auch für weniger Personen komponiert worden waren und für Chaarts allesamt neu arrangiert wurden. Bei der Stückauswahl hat das Ensemble wenig Berührungsängste: Erst kürzlich unterstützte es den Filmmusiker und Cellisten Martin Tillman bei dessen Programm «Superhuman» im Theater 11 in Zürich – zusammen mit einer Rock-Band spielte Chaarts eine Mix aus Rock’n’Roll, Elektro Dance und Klassik. Dass internationale Spitzenmusiker ihr Können für diverse Projekte auch ausserhalb der Klassik zur Verfügung stellen – auch das zeichnet Chaarts aus. Der direkte Kontakt zum Publikum ist ein weiteres Merkmal, welches die Chamber Artists von vielen klassischen Ensembles unterscheidet. «Ich stelle zum Beispiel am Anfang alle Musizierenden mit Namen vor – wie bei einer Band», sagt Fleck. So entstehe eine Nähe zwischen Orchester und Publikum, aus der sich auch mal ein spontaner Dialog über die Sockenfarbe der Instrumentalisten ergeben kann. «Die Stimmung an unsere Konzertabenden ist manchmal wie an einem Fussballspiel», erzählt Fleck: «Über 90 Prozent unserer Konzerte enden mit Standing Ovations und einem tobenden Saal.» Auftritte von hoher musikalischer Qualität, aber ohne den intellektuellen, bedeutungschwangeren Rahmen, der klassische Konzerte gerne umgibt – diese Mischung honoriert das Publikum seit Jahren.
Chamber Artists Orchestra (CHAARTS)
Das freie Ensemble CHAARTS entstand an dem legendären Konzert- und Produktionsort Künstlerhaus Boswil in der Schweiz. Es versteht sich augenzwinkernd als grösstes Streichquartett der Welt und bringt vorwiegend Kammermusiker:innen zu einem leistungsstarken Ensemble von bis zu 35 Personen zusammen. Nach Vorbild des von Claudio Abbado 2003 gegründeten Lucerne Festival Orchestra, lädt CHAARTS seit 2010 Mitglieder international erfolgreicher Streichquartette sowie Mitglieder erfolgreicher Kammerensembles, Solisten, Konzertmeister und Solobläser aus führenden europäischen Orchestern für Projekte ein. Die musikalische Ausrichtung ist breit und umfasst Musik des 17. Jahrhunderts bis heute. Dabei folgt es häufig der Devise «das Grosse klein und das Kleine gross»: Kammermusikversionen von Werken für ein grosses Orchester werden für kleine Formationen adaptiert, oder umgekehrt Streichquartette in grossen Formationen. Dadurch werden Meisterwerke neu erschlossen und in Räumen oder Konzertreihen spielbar, die ansonsten diese Musik nicht präsentieren könnten.