Das Archiv für Agrargeschichte ist das Gedächtnis der Schweizer Landwirtschaft: Gut 20 Jahre nach der Gründung hat es bereits 300 Archivbestände von Privatpersonen, Firmen, Behörden und Verbänden aus dem Agrar- und Ernährungsbereich erschlossen und für die Forschung zugänglich gemacht.
Dieses Archiv verfügt weder über einen eigenen Lesesaal, in dem Archivmaterialien eingesehen werden können, noch über ein Magazin, in dem sie aufbewahrt werden: Das Archiv für Agrargeschichte (AfA) übergibt die von ihm erschlossenen Bestände zur Aufbewahrung an bestehende Archive. Als virtuelles Archiv versteht es sich als «Go-Between zwischen den Archiven und den Aktenbildnern im Agrar‑, Ernährungs- und Umweltbereich», erklärt Claudia Schreiber, die beim AfA für das Records Management und die Archivierung verantwortlich ist.
Seit der Gründung vor zwei Jahrzehnten hat das Institut mit Sitz in Bern gut 300 Archivbestände von Institutionen und Personen aus dem landwirtschaftlichen Bereich ausfindig gemacht, gesichtet, bewertet und geordnet. Das entspricht einem Umfang von mehr als drei Laufkilometern Papierakten, die nach der Erschliessung durch das AfA dem Schweizerischen Bundesarchiv, kantonalen Staatsarchiven oder Spezialarchiven zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben worden sind. Dazu kommen zahlreiche Ablieferungen von elektronischen Unterlagen, was seit einigen Jahren zu einem Schwerpunkt der AfA-Tätigkeiten geworden ist.
Lückenhafte Quellenlage
Mit der Gründung des Archivs für Agrargeschichte 2002 wollte Initiant Peter Moser eine Lücke füllen. Denn nachdem die Agrargeschichte zum 19. und 20. Jahrhundert innerhalb der Geschichtsforschung lange Zeit ein Schattendasein gefristet hatte, erwachte in den 1990-er-Jahren auch in der Schweiz ein neues Interesse an Landwirtschafts- Umwelt und Ernährungsfragen. Die Quellenlage dazu war allerdings lückenhaft: Zahlreiche Text- und Bilddokumente lagerten – oft ungesichert und ungeordnet – bei Privatpersonen, Vereinen, landwirtschaftlichen Schulen und Genossenschaften. Das AfA als unabhängiges Institut machte sich zur Aufgabe, diese noch unbekannten Quellen aufzuspüren, zu sammeln und der Geschichtsforschung zugänglich zu machen. Dass daraus ein virtuelles Archiv wurde, war der Not geschuldet: Den Gründern um Peter Moser, der das AfA bis heute leitet, fehlte es schlicht an Geld, um ein Archiv mit Magazin und Lesesaal einzurichten.
Heute betreibt das Archiv für Agrargeschichte vier Online-Portale mit Datenbanken zu Personen und Institutionen, Fotos und Filmen. Über das Portal «Archivbestände» können Interessierte zudem Inhalte und Standorte der durch das AfA erschlossenen Dokumente eruieren. Stark ausgebaut hat das Institut in den vergangenen Jahren das Portal «Personen und Institutionen», das aktuell Angaben zu 11’000 Personen und 700 Institutionen aus dem Agrar- und Ernährungsbereich enthält. Aus den Einträgen zu den einzelnen Personen lassen sich unterschiedliche Berufslaufbahnen rekonstruieren, zudem werden die Institutionen, in denen sie tätig waren, sowie familiäre und berufliche Beziehungen erkennbar.
Das AfA führt in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen zudem auch eigene Forschungsprojekte durch. So befasst sich ein aktuelles Projekt mit der Rolle des Arbeitstiere in der Industrialisierung. Das Archiv legt viel Wert darauf, den Kontakt zu den Aktenbildnern zu pflegen. Diese stellen nicht nur ihre Quellen zur Verfügung, sondern beteiligen sich teilweise auch an den Kosten für deren Erschliessung. Im Gegenzug erhalten sie einen leichteren und sicheren Zugang zu den eigenen Akten.
Keine öffentlichen Mittel
Obwohl die Bedeutung des unabhängigen Instituts unbestritten ist, erhält es bis heute keine Gelder aus der öffentlichen Hand. «Im Archivbereich finanziert das AfA seine Tätigkeiten deshalb primär mit Beiträgen der Aktenbildner und Zuwendungen Dritter», sagt Claudia Schreiber. Den Bereich der wissenschaftlichen Forschung finanziert es sich über Forschungsgelder von Institutionen im In- und Ausland. Eine wichtige Rolle bei der Finanzierung spielt auch der 2005 gegründete Förderverein, der mit der Organisation von Veranstaltungen, Spenden und Legaten dazu beiträgt, dass das AfA seine Tätigkeiten weiterführen kann.
Das Archiv für Agrargeschichte (AfA)
Das Archiv für Agrargeschichte (AfA) ist ein unabhängiges, in der Archivierung, der wissenschaftlichen Forschung sowie der Informations- und Wissensvermittlung tätiges Institut. Das erste virtuelle Archiv in der Schweiz hat sich seit der Gründung im Jahr 2002 zu einem Zentrum der Archivierung und Geschichtsschreibung zur ländlichen Gesellschaft entwickelt, das die Schweiz auf der internationalen Ebene in vielen Gremien vertritt. Als Forschungseinrichtung von (inter-)nationaler Bedeutung unterhält das AfA eine digitale Forschungsinfrastruktur, die Wissen zu den Akteurinnen und Akteuren sowie audiovisuelle Quellen online zugänglich macht.