Wildwuchs Festival 2023, Theater «sweet & sour». Bild: zVg, Wildwuchs, Elias Lionel

Mit Kunst gegen gesell­schaft­li­che Ausgrenzung

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Seit über 20 Jah­ren setzt sich das Bas­ler Wild­wuchs-Festi­val dafür ein, allen Men­schen die Teil­ha­be an kul­tu­rel­len Akti­vi­tä­ten zu ermög­li­chen. Stan­den in den Anfän­gen Men­schen mit Behin­de­run­gen im Zen­trum der künst­le­ri­schen Pro­jek­te, bie­tet das Festi­val heu­te auch ande­ren mar­gi­na­li­sier­ten Bevöl­ke­rungs­grup­pen eine Plattform.

Inklu­si­on, Diver­si­tät und Zugang zur Kul­tur für alle: Das sind die Schwer­punkt­the­men des Ver­eins Wild­wuchs. Mit dem alle zwei Jah­re statt­fin­den­den Festi­val ermög­licht er Men­schen aus allen Lebens­be­rei­chen die akti­ve Teil­ha­be am kul­tu­rel­len Leben – sei es als Kunst­schaf­fen­de, Mit­ar­bei­ten­den oder Zuschau­en­de. «Von Anfang an wur­de ver­sucht, mit künst­le­ri­schen Mit­teln die Logik der gesell­schaft­li­chen Aus­gren­zung zu ver­ste­hen, zu the­ma­ti­sie­ren und zu hin­ter­fra­gen», erklärt Co-Lei­te­rin Kapi Kapin­ga Grab. Gleich­zei­tig sei Wild­wuchs auch ein Festi­val der zeit­ge­nös­si­schen Kün­ste und expe­ri­men­tie­re mit unter­schied­li­chen künst­le­ri­schen For­ma­ten und dia­lo­gi­schen Settings.

Erfolg seit der ersten Ausgabe

Das erste Wild­wuchs-Festi­val fand 2001 auf dem Are­al der Kaser­ne Basel statt, damals noch unter dem Namen «Kul­tur­fe­sti­val für Sol­che und Ande­re.» Orga­ni­siert hat­ten es die bei­den Bas­ler Ver­ei­ne «Die Ande­ren» und «zmitts­drin». Sie hat­ten bereits seit Jah­ren kul­tu­rel­le Akti­vi­tä­ten für Men­schen mit und ohne Behin­de­run­gen ver­an­stal­tet und woll­ten die­se einer brei­te­ren Öffent­lich­keit zugäng­lich machen. Bereits die erste Aus­ga­be wur­de zum Erfolg, und schon bald wucher­te Wild­wuchs über die Stadt­gren­zen hin­aus: Mit dem Kul­tur­haus Palaz­zo und dem Muse­um BL in Lies­tal sowie mit dem Roxy in Birs­fel­den kamen neue Spiel­or­te hin­zu, Gast­spie­le aus dem nahen Aus­land wur­den ein­ge­la­den, das Netz der Kul­tur­ver­an­stal­ter, die sich am Festi­val betei­li­gen, wur­de grös­ser. Auch von offi­zi­el­ler Sei­te erhielt Wild­wuchs Zuspruch: 2009 wur­de die dama­li­ge künst­le­ri­sche Lei­te­rin des Festi­vals Sibyl­le Ott mit dem Bas­ler Kul­tur­preis ausgezeichnet. 

Anfang 2010 wur­de schliess­lich der Ver­ein Wild­wuchs offi­zi­ell gegrün­det. Zum bien­na­len Festi­val – die näch­ste Aus­ga­be fin­det im Mai 2025 statt -– sind inzwi­schen auch neue Pro­jek­te hin­zu­ge­kom­men: Mit «Wild­wuchs Unter­wegs» orga­ni­siert der Ver­ein regel­mäs­sig Lesun­gen, Work­shops und künst­le­ri­sche Pro­jek­te zu gesell­schaft­lich rele­van­ten The­men; das aktu­el­le Pro­jekt «Spie­len um Geld» ent­steht in Zusam­men­ar­beit mit den Uni­ver­si­tä­ren Psych­ia­tri­schen Kli­ni­ken. Ein wei­te­res Wild­wuchs-Pro­jekt sind die «Not­wen­di­gen Geschich­ten». Dabei han­delt es sich um Geschich­ten von – bei­spiels­wei­se – geflüch­te­ten Men­schen, Men­schen mit Sucht­er­fah­rung oder jun­gen Autor:innen, die einem öffent­li­chen Publi­kum erzählt werden.

Wild­wuchs Festi­val 2023, Rund­gang «Sei lustig – Bil­der für die Stadt». Bild: zVg, Wild­wuchs, Chri­stoph Ruppli

Ver­ein im Umbruch

Im Lau­fe sei­ner mitt­ler­wei­le über 20-jäh­ri­gen Geschich­te hat sich Wild­wuchs immer wie­der ver­än­dert und ent­wickelt. «Die ersten fünf Festi­vals unter der künst­le­ri­schen Lei­tung von Sibyl­le Ott zeig­ten künst­le­ri­sche Pro­jek­te von Men­schen mit und ohne Behin­de­rung», sagt Co-Lei­te­rin Tani­na Jenk. «Im Zen­trum stan­den Men­schen, die als kogni­tiv beein­träch­tigt ein­ge­stuft wur­den und in Insti­tu­tio­nen leb­ten.» Unter der Nach­fol­ge­rin Gun­da Zeeb habe Wild­wuchs den «Behin­de­rungs­be­griff» aus­ge­wei­tet und sich wei­te­ren gesell­schaft­lich mar­gi­na­li­sier­ten Bevöl­ke­rungs­grup­pen zuge­wandt, bei­spiels­wei­se alten Men­schen, Armuts­be­trof­fe­nen und Geflüch­te­ten. Tani­na Jenk: «Wild­wuchs hat sich damit neue Netz­wer­ke erschlos­sen und immer bes­ser ver­stan­den, wie sehr sich die Muster der Dis­kri­mi­nie­run­gen glei­chen.» Auch der Ver­ein selbst befin­det sich in einem Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess: Vor ein paar Jah­ren beschloss der Vor­stand, sich selbst zu erneu­ern und inklu­si­ver zu wer­den: Seit­her prä­sen­tiert er sich jün­ger und diver­ser; die künst­le­ri­sche Lei­tung ver­ant­wor­tet eine «mehr­per­spek­ti­vi­sche Pro­gramm­grup­pe», und die Kura­ti­on des Festi­vals wird seit 2023 für jede Aus­ga­be neu ver­ge­ben. «Der erneu­er­te Vor­stand und das neu gewähl­te Lei­tungs­team sind dar­an, die 20 Jah­re lang gewach­se­nen Struk­tu­ren von Wild­wuchs nach­zu­voll­zie­hen und gleich­zei­tig Ent­schei­dun­gen für die Zukunft zu tref­fen», fasst Kapi Kapin­ga Grab die­se Pha­se des Umbruchs zusam­men: Wäh­rend inklu­si­ve For­ma­te unter­des­sen auch an ande­ren Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen Ein­zug erhal­ten hät­ten, gehe Wild­wuchs wei­ter und wer­de auch in den eige­nen Struk­tu­ren inklusiver.

Finan­ziert wird Wild­wuchs aus­schliess­lich über Fund­rai­sing. Die gröss­ten Geld­ge­be­rin­nen sind gemäss den Co-Lei­te­rin­nen die Swiss­los-Fonds der bei­den Basel. Eine Lei­stungs­ver­ein­ba­rung bestehe jedoch nicht: «Dass wir kei­ne Grund­fi­nan­zie­rung des Betriebs und der Infra­struk­tur erhal­ten, ist seit je eine Her­aus­for­de­rung. Durch die mehr­per­spek­ti­vi­sche und inklu­si­ve Arbeits­wei­se ist sie umso grös­ser gewor­den. Es ist eine stres­si­ge Situa­ti­on, ein Festi­val zu pla­nen, wenn nicht sicher ist, wie viel Geld wir am Ende tat­säch­lich gut­ge­spro­chen bekommen.»

Wild­wuchs

Der Ver­ein ver­an­stal­tet in der Regi­on Basel alle zwei Jah­re das Kul­tur­fe­sti­val Wild­wuchs sowie wei­te­re künst­le­ri­sche For­ma­te aus­ser­halb des Festi­val­zeit­raums. Haupt­ziel ist es, Men­schen aus allen Lebens­be­rei­chen den Zugang sowie die akti­ve Teil­ha­be am kul­tu­rel­len Leben zu ermög­li­chen und Begeg­nun­gen zwi­schen Men­schen mit und ohne Behin­de­rung, mit und ohne Psych­ia­trie­er­fah­rung, mit und ohne Flucht­er­fah­rung, mit und ohne Aus­gren­zungs­er­fah­run­gen zu för­dern. Wild­wuchs-Pro­jek­te befas­sen sich mit gesell­schafts­po­li­ti­schen Fra­ge­stel­lun­gen rund um die The­men Inklu­si­on, Diver­si­tät, Gleich­stel­lung und Men­schen­rech­te und suchen mit künst­le­ri­schen Mit­teln wie Tanz, Thea­ter, Per­for­mance, Musik und bil­den­de Kunst nach Ant­wor­ten und Alternativen.

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