Seit über 20 Jahren setzt sich das Basler Wildwuchs-Festival dafür ein, allen Menschen die Teilhabe an kulturellen Aktivitäten zu ermöglichen. Standen in den Anfängen Menschen mit Behinderungen im Zentrum der künstlerischen Projekte, bietet das Festival heute auch anderen marginalisierten Bevölkerungsgruppen eine Plattform.
Inklusion, Diversität und Zugang zur Kultur für alle: Das sind die Schwerpunktthemen des Vereins Wildwuchs. Mit dem alle zwei Jahre stattfindenden Festival ermöglicht er Menschen aus allen Lebensbereichen die aktive Teilhabe am kulturellen Leben – sei es als Kunstschaffende, Mitarbeitenden oder Zuschauende. «Von Anfang an wurde versucht, mit künstlerischen Mitteln die Logik der gesellschaftlichen Ausgrenzung zu verstehen, zu thematisieren und zu hinterfragen», erklärt Co-Leiterin Kapi Kapinga Grab. Gleichzeitig sei Wildwuchs auch ein Festival der zeitgenössischen Künste und experimentiere mit unterschiedlichen künstlerischen Formaten und dialogischen Settings.
Erfolg seit der ersten Ausgabe
Das erste Wildwuchs-Festival fand 2001 auf dem Areal der Kaserne Basel statt, damals noch unter dem Namen «Kulturfestival für Solche und Andere.» Organisiert hatten es die beiden Basler Vereine «Die Anderen» und «zmittsdrin». Sie hatten bereits seit Jahren kulturelle Aktivitäten für Menschen mit und ohne Behinderungen veranstaltet und wollten diese einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Bereits die erste Ausgabe wurde zum Erfolg, und schon bald wucherte Wildwuchs über die Stadtgrenzen hinaus: Mit dem Kulturhaus Palazzo und dem Museum BL in Liestal sowie mit dem Roxy in Birsfelden kamen neue Spielorte hinzu, Gastspiele aus dem nahen Ausland wurden eingeladen, das Netz der Kulturveranstalter, die sich am Festival beteiligen, wurde grösser. Auch von offizieller Seite erhielt Wildwuchs Zuspruch: 2009 wurde die damalige künstlerische Leiterin des Festivals Sibylle Ott mit dem Basler Kulturpreis ausgezeichnet.
Anfang 2010 wurde schliesslich der Verein Wildwuchs offiziell gegründet. Zum biennalen Festival – die nächste Ausgabe findet im Mai 2025 statt -– sind inzwischen auch neue Projekte hinzugekommen: Mit «Wildwuchs Unterwegs» organisiert der Verein regelmässig Lesungen, Workshops und künstlerische Projekte zu gesellschaftlich relevanten Themen; das aktuelle Projekt «Spielen um Geld» entsteht in Zusammenarbeit mit den Universitären Psychiatrischen Kliniken. Ein weiteres Wildwuchs-Projekt sind die «Notwendigen Geschichten». Dabei handelt es sich um Geschichten von – beispielsweise – geflüchteten Menschen, Menschen mit Suchterfahrung oder jungen Autor:innen, die einem öffentlichen Publikum erzählt werden.
![](https://spendenmagazin.stiftungschweiz.ch/wp-content/uploads/2024/07/Kopie-von-26.5._seiLustig_DSF2188_ChristophRuppli-1024x576.jpg)
Verein im Umbruch
Im Laufe seiner mittlerweile über 20-jährigen Geschichte hat sich Wildwuchs immer wieder verändert und entwickelt. «Die ersten fünf Festivals unter der künstlerischen Leitung von Sibylle Ott zeigten künstlerische Projekte von Menschen mit und ohne Behinderung», sagt Co-Leiterin Tanina Jenk. «Im Zentrum standen Menschen, die als kognitiv beeinträchtigt eingestuft wurden und in Institutionen lebten.» Unter der Nachfolgerin Gunda Zeeb habe Wildwuchs den «Behinderungsbegriff» ausgeweitet und sich weiteren gesellschaftlich marginalisierten Bevölkerungsgruppen zugewandt, beispielsweise alten Menschen, Armutsbetroffenen und Geflüchteten. Tanina Jenk: «Wildwuchs hat sich damit neue Netzwerke erschlossen und immer besser verstanden, wie sehr sich die Muster der Diskriminierungen gleichen.» Auch der Verein selbst befindet sich in einem Transformationsprozess: Vor ein paar Jahren beschloss der Vorstand, sich selbst zu erneuern und inklusiver zu werden: Seither präsentiert er sich jünger und diverser; die künstlerische Leitung verantwortet eine «mehrperspektivische Programmgruppe», und die Kuration des Festivals wird seit 2023 für jede Ausgabe neu vergeben. «Der erneuerte Vorstand und das neu gewählte Leitungsteam sind daran, die 20 Jahre lang gewachsenen Strukturen von Wildwuchs nachzuvollziehen und gleichzeitig Entscheidungen für die Zukunft zu treffen», fasst Kapi Kapinga Grab diese Phase des Umbruchs zusammen: Während inklusive Formate unterdessen auch an anderen Kulturinstitutionen Einzug erhalten hätten, gehe Wildwuchs weiter und werde auch in den eigenen Strukturen inklusiver.
Finanziert wird Wildwuchs ausschliesslich über Fundraising. Die grössten Geldgeberinnen sind gemäss den Co-Leiterinnen die Swisslos-Fonds der beiden Basel. Eine Leistungsvereinbarung bestehe jedoch nicht: «Dass wir keine Grundfinanzierung des Betriebs und der Infrastruktur erhalten, ist seit je eine Herausforderung. Durch die mehrperspektivische und inklusive Arbeitsweise ist sie umso grösser geworden. Es ist eine stressige Situation, ein Festival zu planen, wenn nicht sicher ist, wie viel Geld wir am Ende tatsächlich gutgesprochen bekommen.»
![](https://spendenmagazin.stiftungschweiz.ch/wp-content/uploads/2024/07/Kopie-von-3.6._CicekTaksi_DSC_3688_GeorgFaulhaber.jpg)
Wildwuchs
Der Verein veranstaltet in der Region Basel alle zwei Jahre das Kulturfestival Wildwuchs sowie weitere künstlerische Formate ausserhalb des Festivalzeitraums. Hauptziel ist es, Menschen aus allen Lebensbereichen den Zugang sowie die aktive Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen und Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Psychiatrieerfahrung, mit und ohne Fluchterfahrung, mit und ohne Ausgrenzungserfahrungen zu fördern. Wildwuchs-Projekte befassen sich mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen rund um die Themen Inklusion, Diversität, Gleichstellung und Menschenrechte und suchen mit künstlerischen Mitteln wie Tanz, Theater, Performance, Musik und bildende Kunst nach Antworten und Alternativen.