Im Fokus ste­hen die Fami­li­en, nicht die Krankheiten

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Manue­la Stier hat den För­der­ver­ein für Kin­der mit sel­te­nen Krank­hei­ten (KMSK) vor bald acht Jah­ren gegrün­det. Sie erzählt, wor­um betrof­fe­ne Fami­li­en kämp­fen und was Spen­de­rin­nen und Spen­der sich wünschen.

Sie enga­gie­ren sich für Kin­der mit sel­te­nen Krank­hei­ten. Ist jede Unter­stüt­zung ein Ein­zel­fall?
Nein. Es gibt welt­weit rund 8000 sel­te­ne Krank­hei­ten und nur gera­de fünf Pro­zent sind erforscht. Es kann sein, dass es nur einen Fall in der Schweiz gibt. Die Bedürf­nis­se der Fami­li­en im All­tag sind jedoch sehr ähn­lich. Die Fami­li­en die sich bei uns mel­den spre­chen davon, dass sie sich nach der Dia­gno­se sehr allei­ne fühl­ten. Wir bie­ten ihnen an, sich in unser kosten­lo­ses KMSK Fami­li­en-Netz­werk anzu­mel­den. Und sie benö­ti­gen finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für The­ra­pien, Aus­zei­ten, aber auch Hilfs­mit­tel wie ein Spe­zi­al­bike, wel­che die Ver­si­che­rung nicht bezahlt.

Was war Ihre Absicht bei der Grün­dung?
Ich woll­te den betroff­fe­nen Fami­li­en ein Gesicht geben, sie unter­ein­an­der ver­bin­den, die Lebens­qua­li­tät der Fami­li­en ver­bes­sern, Freu­de schen­ken und Wis­sen zum The­ma sel­te­ne Krank­hei­ten der brei­ten Öffent­lich­keit zugäng­lich machen.

Die Bedürf­nis­se der Fami­li­en im All­tag sind jedoch sehr ähnlich.

Manue­la Stier, Grün­de­rin KMSK

Und wie nahe ist der För­der­ver­ein bei den Betrof­fe­nen?
In den ersten Jah­ren kann­te ich alle Fami­li­en, doch zwi­schen­zeit­lich umfasst der För­der­ver­ein mehr als 650 Fami­li­en. Da ken­ne ich lei­der nicht mehr alle Fami­li­en per­sön­lich. Doch die Nähe ist mir wich­tig und so bin ich stets an allen KMSK Fami­li­en-Events, die immer am Wochen­en­de statt­fin­den, mit dabei. Wir kon­zi­pie­ren die­se Events für die Fami­li­en so, dass ein reger Aus­tausch unter Eltern und  Geschwi­ster­kin­der mög­lich ist. Wir legen gros­sen Wert dar­auf, dass auch die gesun­den Kin­der die­se Events genies­sen kön­nen. Dank unse­ren vier KMSK Wis­sens­bü­chern «Sel­te­ne Krank­hei­ten» in denen bis­her 68 unse­rer betrof­fe­nen Fami­li­en port­ra­tiert wur­den, sehen neu betrof­fe­ne Fami­li­en wie ande­re mit ihrem Schick­sals­schlag umge­hen. Dies hilft ganz beson­ders nach der Dia­gno­se durch den Gene­ti­ker. Zudem pfle­gen wir eine geschlos­se­nen Selbst­hil­fe­grup­pe auf Face­book mit 550 Müt­ter und Väter. Hier kön­nen sich Betrof­fe­ne aus­tau­schen und Fra­gen wer­den direkt durch die erfah­re­ne Com­mu­ni­ty beantwortet.

Manue­la Stier, Grün­de­rin För­der­ver­ein für Kin­der mit sel­te­nen Krankheiten

Wel­che Fra­gen kann die Com­mu­ni­ty beant­wor­ten?
Dies sind Fra­gen rund um den All­tag der betrof­fe­nen Fami­li­en. Oder sie suchen nach einer Fami­lie deren Kind die­sel­be Krank­heit hat wie ihres. Wahl von Ärz­ten, Fra­gen zur Hilfl­soen­ent­schä­di­gung und eben­so schät­zen sie den locke­ren Aus­tausch unter Gleichgesinnten.

Wie lan­ge beglei­ten Sie die Fami­li­en?
Vie­le kom­men kurz nach der Dia­gno­se «Sel­te­ne Krank­heit» zu uns. Danach blei­ben die Fami­li­en meist bis zum 17. Gebrurts­tag des Kin­des oder sie ver­las­sen den För­der­ver­ein wenn ihr Kind gestor­ben ist. Was jedoch eben­so wich­tig ist, die Fami­li­en freun­den sich unter­ein­an­der an und dies ist ein wich­ti­ger Teil unse­rer Arbeit.

Was ist der Vor­teil Ihrer Hil­fe?
Wir kön­nen schnell und ziel­ge­rich­tet han­deln. Bei Behör­den oder bspw. der IV kann es auf­grund der Pro­zes­se dau­ern, bis ein Ent­scheid über eine Hil­fe gefal­len ist. Wir hat­ten eine allein­er­zie­hen­de Mut­ter, die zu uns gekom­men ist, weil sie am Limit war und nicht mehr wei­ter wuss­te. Innert kür­ze­ster Zeit konn­ten wir für die Mut­ter und die zwei klei­nen Kin­dern einen vier­wö­chi­gen Auf­ent­halt in einer wun­der­ba­ren Fami­li­en Reha-Kli­nik im Schwarz­wald orga­ni­sie­ren, die auf die Bedürf­nis­se von die­ser Fami­lie zuge­schnit­ten war. Dank einem Gön­ner der uns eine gros­se Sum­me für die freie Ver­wen­dung für die Unter­stüt­zung von Fami­li­en zur Ver­fü­gung gestellt hat­te, konn­ten wir die Kosten von 14’000 Fran­ken über­neh­men. Die Mut­ter hat nun neue Kraft getankt, doch der All­tag ist zurück und damit auch die gros­sen Her­aus­for­de­run­gen, der sich eine allein­ste­hen­de Mut­ter stel­len muss. Bewun­derns­wert, wie sie sich für ihr kran­kes Kind (6) und um die zwei­te Toch­ter (9) durch das Leben kämpft!

68 betrof­fe­ne Fami­li­en wer­den in den vier KMSK-Wis­sens­bü­chern portraitiert.

Für Spen­de­rin­nen und Spen­der ist es wich­tig zu sehen, was mit ihrem Geld pas­siert. Wie machen Sie das?
Spen­de­rin­nen und Spen­der haben oft kla­re Vor­stel­lun­gen, wofür wir ihr Geld ein­set­zen dür­fen. Sei dies für The­ra­pien oder auch für Hilfs­mit­tel. Bei gebun­de­nen Spen­den gehen 100 Pro­zent an die betrof­fe­nen Fami­li­en. Die­se sen­den uns danach einen Dan­kes­brief, den wir den Gön­nern, die meist nicht genannt wer­den wol­len, wei­ter. Zudem pfle­gen wir nach­hal­tig wir­ken­de Part­ner­schaf­ten mit Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen wie bei­spiels­wei­se jene mit der Stif­tung Denk an mich. Gemein­sam kön­nen wir noch mehr für die betrof­fen Fami­li­en tun, wie das Bei­spiel von Sevin (Schmet­ter­lings­krank­heit) zeigt. Dank einem Crowd­fun­ding von uns und der Unter­stüt­zung der Stif­tung Denk an mich kön­nen wir Sevin den Wunsch von einer eige­nen Bio­gra­fie erfül­len. Aber auch das KMSK Wis­sens­buch hilft. Dadurch erhal­ten unse­re Gön­ner Ein­sicht in das Leben unse­rer wun­der­ba­ren Familien.

Ist es denn schwie­rig, Spen­de­rin­nen und Spen­der für das Enga­ge­ment gegen sel­te­ne Krank­hei­ten zu gewin­nen, gera­de weil die­se kaum bekannt sind?
Das Ver­trau­en unse­rer betrof­fe­nen Fami­li­en muss­ten wir zuerst  auch auf­bau­en und eben­so ist es mit den Spen­de­rin­nen und Spen­dern. Wir ver­su­chen auf die Bedürf­nis­se die­ser ein­zu­ge­hen, suchen gemein­sa­me Lösun­gen, wie den betrof­fe­nen Fami­li­en effi­zi­ent und nach­hal­tig gehol­fen wer­den kann. Unkom­pli­ziert und schnell. Es geht uns nicht um die Men­ge von Gön­nern son­dern um die Qua­li­tät des Zusam­men­spiels zwi­schen Gön­nern, För­der­ver­ein und unse­ren Familien.

Betrof­fe­ne Fami­li­en muss­ten ler­nen mit die­sen Äng­sten umzu­ge­hen und die schö­nen Momen­te dop­pelt so bewusst zu leben.

Manue­la Stier, Grün­de­rin KMSK

Wie nut­zen Sie die digi­ta­len Kanä­le?
Schon vor der Grün­dung habe ich auf Face­book und Lin­ke­dIn eine gros­se Com­mu­ni­ty auf­ge­baut. Dank unse­rer geschlos­se­nen Selbst­hil­fe­grup­pe auf Face­book ist heu­te ein reger Aus­tausch unter den 550 betrof­fe­nen Fami­li­en 24 Stun­den mög­lich. Mei­nen Lin­ke­dIn Account set­ze ich ins­be­son­de­re dafür ein, poten­zi­el­len Gön­nern auf­zu­zei­gen, wie wir den betrof­fe­nen Fami­li­en hel­fen. Ver­bun­den mit unse­rem KMSK Wis­sens­buch sind wir auf sehr gutem Weg, einer brei­ten Öffent­lich­keit und auch Fach­per­so­nen das The­ma Sel­te­ne Krank­hei­ten bei Kin­dern und Jugend­li­chen näher zu brin­gen. Nach wie vor zählt für uns Inte­grier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on auf ver­schie­de­nen Kanä­len und natür­lich die per­sön­li­chen Gesprä­che mit inter­es­sier­ten Gön­ner und Gönnerinnen.

Ist Weih­nach­ten für Ihre Akti­vi­tä­ten eine wich­ti­ge Zeit?
Für uns ist das gan­ze Jahr wich­tig. Frü­her war das The­ma Sel­te­ne Krank­hei­ten nur am inter­na­tio­na­len Tag der sel­te­nen Krank­hei­ten Ende Febru­ar in den Medi­en prä­sent. Wir wol­len jedoch die Öffent­lich­keit sen­si­bi­li­sie­ren, in dem wir das gan­ze Jahr kom­mu­ni­zie­ren und sicht­bar sind. Hier erhal­ten wir auch eine nach­hal­ti­ge Unter­stüt­zung durch diver­se Medi­en, die wir sehr schät­zen. Vor Weih­nach­ten haben wir nichts mehr gros­ses geplant. Doch zum Tag der sel­te­nen Krank­hei­ten vom 28. Febru­ar 2022 pla­nen wir bereits das 9. KMSK Wis­sens-Forum «Sel­te­ne Krank­hei­ten» mit rund 250 Fami­li­en­mit­glie­dern und Fach­per­so­nen. Sie sehen, bei uns steht nebst der Unter­stüt­zung der Fami­li­en der Wis­sens­trans­fer im Zen­trum – denn Wis­sen wächst wenn man es teilt.

Was bedeu­tet Weih­nach­ten für die von Ihnen unter­stüt­zen Fami­li­en?
Das­sel­be wie für jede ande­re Fami­lie auch. Geschmück­ter Weih­nachts­baum, duf­ten­de Ker­zen, vie­le Geschen­ke und das Zusam­men­sein mit den Lieb­sten. Doch auch wenn sie fei­ern, lachen und glück­lich sind, es beglei­tet sie immer auch die Angst, ob etwas mit ihrem kran­ken Kind sein könn­te. Betrof­fe­ne Fami­li­en muss­ten ler­nen mit die­sen Äng­sten umzu­ge­hen und die schö­nen Momen­te dop­pelt so bewusst zu leben, sodass sie in schwie­ri­gen Zei­ten die Kraft haben, für ihr Kind dazu­sein. Ich bewun­de­re unse­re 650 Fami­li­en sehr – sie zei­gen mir immer wie­der auf, was die Lie­be bewe­gen kann.

För­der­ver­ein für Kin­der mit sel­te­nen Krankheiten

Rund 350’000 Kin­der und Jugend­li­che sind in der Schweiz von einer sel­te­nen Krank­heit betrof­fen. Der All­tag die­ser Fami­li­en ist geprägt von Unge­wiss­heit, ins­be­son­de­re wenn noch kei­ne Dia­gno­se vor­han­den ist. Unzäh­li­ge Her­aus­for­de­run­gen und Äng­ste prä­gen deren All­tag. Der För­der­ver­ein für Kin­der mit sel­te­nen Krank­hei­ten setzt sich für die betrof­fe­nen Kin­der und ihre Fami­li­en ein. Wir ermög­li­chen finan­zi­el­le Direkt­hil­fe, schaf­fen kosten­lo­se Fami­li­en-Events, um betrof­fe­ne Fami­li­en mit­ein­an­der zu ver­net­zen und ver­an­kern das The­ma sel­te­ne Krank­hei­ten in der Öffent­lich­keit. Um dies auch zukünf­tig zu ermög­li­chen, sind wir auf Spen­den, Lega­te und Gön­ner­bei­trä­ge angewiesen.

Das Spen­den­ma­ga­zin von StiftungSchweiz rich­tet sich an Spen­de­rin­nen und Spen­der. Es infor­miert über aktu­el­le Pro­jek­te, Trends im Spen­den­markt und gibt Tipps, die das digi­ta­le Spen­den ein­fa­cher machen. Jede zwei­te Woche erscheint ergän­zend der «Do Good» Spen­den-News­let­ter.