Kunst kommt daher in unzähligen Facetten. Das Musée Visionnaire in Zürich bietet Kunstschaffenden, die durch die Raster der etablierten Kunstkategorien fallen eine Plattform und bindet sie in den musealen Kontext ein. Neben der Ausstellungstätigkeit nimmt im Musée Visionnaire die Kunstvermittlung einen hohen Stellenwert ein.
Die Outsider Art umfasst ein breites Spektrum, es ist der Sammelbegriff für autodidaktische Kunst von gesellschaftlichen Aussenseiter:innen und Unangepassten, sowie von Menschen mit Beeinträchtigung. Das Musée Visionnaire in Zürich hat sich der Ausstellung und Vermittlung dieser Richtung des Kunstschaffens verschrieben, die in der Leidenschaft, der Begeisterung und im unbedingten Drang nach Kreativität ihren Ursprung hat. «Passion und Leidenschaft, nicht Konvention und Kommerz sind ihre Antriebsfeder», erklärt Manuela Hitz, welche zusammen mit Sandra Smolcic die Leitung des Musée Visionnaire verantwortet und führt aus: «Indem wir die sogenannte Outsider Art nach innen holen, sie in den musealen Kontext inkludieren, öffnen wir den Dialog für ein breiteres Kunstverständnis. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass auch Menschen mit zugeschriebener Beeinträchtigung in der Lage sind, bedeutende Kunst zu erschaffen.» Die Vision des Museums ist es, das Nebeneinander von etablierten Künstler:innen und solchen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, zu fördern und damit den Kunstbetrieb zugänglicher und diverser zu machen, damit kommende Generationen für ein Miteinander in der Kunst wie auch in der Gesellschaft sensibilisiert werden können.
Kunstvermittlung als zentraler Bestandteil
Neben dem Ausstellen von Kunst nimmt im Musée Visionnaire die Vermittlungstätigkeit einen sehr hohen Stellenwert ein. In Führungen, Workshops, Ateliers, Kursen und Entdeckungstouren werden den Besucher:innen die Ausstellungen und Künstler:innen näher gebracht. Denn die Leidenschaft der Kunstschaffenden spiegelt sich nicht nur in deren Werken wider, sondern überträgt sich auch auf die Betrachter:innen und regen dazu an, die eigene Perspektive zu hinterfragen und neue Blickwinkel einzunehmen. Für Manuela Hitz, welche auch den Bereich Vermittlung leitet, ist die Kunstvermittlung ein essenzieller Teil des Museums, neben der Kunst und der Kuration sozusagen der dritte Raum – das living archive – in dem eine Ausstellung weiterlebt: «Ausstellungen gehen irgendwann zu Ende – die Erlebnisse aus den Vermittlungsangeboten hallen dagegen noch lange nach. Sie sind es, die in den Köpfen und Körpern aus dem Museum getragen werden und aus denen sich vielleicht etwas Neues entwickelt.»

Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt
Ein spezieller Schwerpunkt gilt der Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche, so wurde bereits die erste Ausstellung des Museums 2013 durch Werkkommentare von Sekundarschüler:innen begleitet. Vom Museum werden diverse Führungen und Workshops angeboten, die speziell auf Kindergärten und Schulklassen aller Stufen ausgerichtet sind. Und seit 2018 besteht ein Langzeitprojekt mit einer Zürcher Primarschule, in dessen Rahmen Klassen zusammen mit Ihren Lehrpersonen jede Woche ein bis zwei Morgen im Musée Visionnaire verbringen. Dabei steht aber nicht die Kunst im Vordergrund, sie nimmt vielmehr eine Vermittlerrolle ein. «Das Ziel ist es, in ausserschulischen Räumlichkeiten ein ganzheitliches Lernen zu vermitteln und die Kinder zu kritischem, kreativem Denken anzuregen», sagt Manuela Hitz, «auch die überfachlichen Sozial‑, Auftritts- und Präsentationskompetenzen werden durch das Projekt gefördert, indem sich die Schülerinnen und Schüler mit der Ausstellung auseinandersetzen und mit den Künstlern austauschen können. Und indem sie an Vernissagen und anderen Anlässen aktiv beteiligt werden sowie Führungen anbieten.»

Hinterfragen von künstlerischen Konventionen
Die aktuelle Ausstellung mit dem Titel INK* widmet sich einem Thema, das sonst nicht in Kunstmuseen anzutreffen ist, nämlich Tätowierungen. «Wir wagen es, eine künstlerische Praxis ins Museum zu holen, die dort bisher kaum Beachtung gefunden hat. Denn genau darum geht es: künstlerische Konventionen zu hinterfragen und eine Diskussion über das Kunstverständnis in Gang zu setzen», erklärt Manuela Hitz. Werke des amerikanischen Outsider Artists Anthony Dominguez – welcher sich bemalte Patches auf die Kleider nähte – und dem Österreicher Fritz Hortig – der auch für seine bunt bemalten T‑Shirts bekannt ist – ergänzen die Ausstellung und eröffnen einen Diskurs über Kunst und Körperlichkeit.

Verein Musée Visionnaire
Das Musée Visionnaire, 2013 von Susi Brunner und Dr. Jörg Furrer gegründet, bietet Künstlern, die oft übersehen werden, eine Plattform. Es präsentiert Werke, die sich keiner etablierten Kunstkategorie zuordnen lassen, und gibt ihnen Raum und Relevanz. Die Künstler sind angetrieben von Leidenschaft und Kreativität, die auch die Besuchenden inspirieren. Durch das Hinterfragen der eigenen Perspektive und das Entdecken neuer Blickwinkel wird das Denken “out-of-the-box” gefördert.