Strafverfahren sind heute strenger als noch vor wenigen Jahrzehnten. Was früher vielleicht als harmloser Streich galt, kann heute strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Organisation «Gefangene helfen Jugendlichen» (GhJ) nutzt die Erfahrungen ehemaliger Häftlinge, um Jugendlichen aufzuzeigen, wohin kriminelle Entscheidungen führen können und was für weitreichende Konsequenzen das auf das spätere Leben hat.
Andrea Thelen, Geschäftsführerin von GhJ, betont: «Unsere Unterrichte sind keine abstrakte Prävention, sondern direkte Aufklärung. Wir sprechen über Konsequenzen, ohne zu dramatisieren.» Viele Jugendliche haben eine falsche Vorstellung von Haftbedingungen – geformt durch Filme und Social Media. Die Kursleitenden von GhJ räumen mit diesen falschen Vorstellungen auf und schildern aus erster Hand, was eine Verurteilung tatsächlich bedeutet.
Keine Theorie, sondern Realität
Die Kurse finden an Oberstufenschulen, in Jugendheimen und in der offenen Jugendarbeit statt. Die Kursleitenden, selbst ehemals inhaftiert, schaffen eine Vertrauensbasis, die anderen Fachpersonen oft verwehrt bleibt. «Unsere Kursleitenden haben diese Wege selbst erlebt. Sie haben einen anderen Zugang zu den Jugendlichen», sagt Thelen. Ein Beispiel für den unkonventionellen Ansatz von GhJ: Zunächst wandte sich Andrea Thelen an Vollzugsinstitutionen, um Kursleitende zu finden. Dann veröffentlichte sie beim RAV eine Stellenausschreibung mit dem Titel «Kursleitende Ex-Häftlinge gesucht». Der Rückruf kam prompt: «Meinen Sie das ernst?» Nach einem langen Gespräch erkannte eine leitende RAV-Mitarbeiterin das Potenzial und unterstützte die Initiative. Heute werden alle Kursleitenden sorgfältig ausgewählt und speziell geschult.

Wer zahlt für die Aufklärung?
Die Kurse finanzieren sich zur Hälfte durch die Einnahmen aus den Unterrichten an Schulen, Jugendheimen und in der offenen Jugendarbeit. Die andere Hälfte stammt aus Fundraising, vor allem über Stiftungen. Damit können auch Schulen mit knappen Budgets Kurse buchen. Seit 2020 haben die Kursleitenden über 6.500 Jugendliche erreicht. «Wenn wir pro Jahr nur zwei Jugendliche von einer kriminellen Laufbahn abhalten können, hat sich der Aufwand gelohnt», sagt Thelen.
Zweite Chance – beide Seiten lernen etwas dabei
Die Arbeit von GhJ zeigt: Nicht nur Jugendliche profitieren. Auch die Kursleitenden reflektieren ihre Vergangenheit und finden durch ihre neue Rolle einen Weg zurück in die Gesellschaft. «Wir sind die einzige Organisation in der Schweiz, die diese Form der aufsuchenden Aufklärung durchführt. Während die Polizei in manchen Kantonen Präventionsarbeit leistet, setzen wir auf eine andere Ebene: direkte Aufklärung durch Betroffene», erklärt Thelen.
Ein Projekt, das sich lohnt
GhJ bietet eine realistische Alternative zur klassischen Kriminalprävention. Die Organisation setzt auf persönliche Begegnungen und unverfälschte Berichte. Wer diese Arbeit unterstützen möchte, kann dies durch Spenden oder ehrenamtliches Engagement tun..

Gefangene helfen Jugendlichen
Die Organisation “Gefangene helfen Jugendlichen” (GhJ) ist eine unabhängige, gemeinnützige Initiative mit Sitz in Männedorf, die sich seit 2019 für die Aufklärung und Prävention von Jugendkriminalität in der Schweiz einsetzt. Ihr Ziel ist es, Jugendliche vor kriminellen Wegen zu bewahren und gleichzeitig ehemaligen Häftlingen eine nachhaltige Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Durch Aufklärungsunterricht an Schulen, in Jugendheimen und der offenen Jugendarbeit sensibilisieren speziell geschulte Ex-Häftlinge junge Menschen für die Konsequenzen von Straftaten. Dabei vermitteln sie ein realistisches Bild des Strafvollzugs und der langfristigen Auswirkungen einer Vorstrafe – ohne zu dramatisieren, aber auch ohne zu verharmlosen. In diesem Jahr intensiviert GhJ seine Arbeit weiter, um möglichst vielen Jugendlichen Zugang zu dieser einzigartigen Form der Aufklärung zu ermöglichen. Die Organisation setzt dabei auf ein hybrides Finanzierungsmodell: Während ein Teil der Kosten durch Schulen und Institutionen gedeckt wird, finanziert sich die andere Hälfte über Spenden und Stiftungsgelder. Dies erlaubt es auch finanziell schwächeren Schulen, an den Programmen teilzunehmen.